Schulaufgaben statt Hausaufgaben

Hausaufgaben sind ein Thema, das bei allen Eltern eine Reaktion auslöst: Für die einen – vermutlich eine Minderheit – bedeuten Hausaufgaben, dass sie zu Hause lustvoll gemeinsam mit ihrem Kind an Themen arbeiten, die den Schulunterricht ergänzen sollen. Für die anderen bedeuten Hausaufgaben einfach Stress.

So kommt es häufig vor, dass die Mutter oder der Vater dem Kind Dinge erklären sollte, die es in der Schule nicht verstanden hat. Sie haben dafür jedoch weder das nötige Material noch nutzen sie die gleiche Terminologie, die die Lehrperson im Unterricht verwendet. Dadurch entstehen Reibungsmomente, die für die Eltern-Kind-Beziehung zur Belastung werden können und im schlechtesten Fall zu Lernblockaden beim Kind führen. Spätestens seit der Einführung von Tagesschulstrukturen ist auch nicht mehr die nötige Zeit vorhanden, damit sich Kinder zuhause mit Hausaufgaben beschäftigen können. Kommen sie nach der Schule und anschliessenden Freizeitaktivitäten nach Hause, fehlt ihnen oftmals die Energie, um sich mit kognitiven Inhalten zu beschäftigen. Die Tagesschule. Für das Kind verlegt daher die Hausaufgaben in die Schule. Hausaufgaben werden bei uns zu Schulaufgaben und können in definierten Gefässen – in der Primarstufe heissen diese «Trainingsatelier» – bearbeitet werden.

Kinder, die die gesamte Primarschulzeit an der Tagesschule. Für das Kind verbringen, haben also keine Hausaufgaben-Routine; sie kennen «nur» die Schulaufgabenzeit. Deshalb werden sie im letzten halben Jahr vor ihrem Übertritt an eine Folgeschule eng betreut an eine Aufgaben-Routine herangeführt. Zuerst erhalten sie Hausaufgaben, die sie von einem Tag auf den nächsten zu erledigen haben; danach vergrössern sich die Abstände. Zu guter Letzt erhalten sie einen Plan mit Wochenaufgaben, den sie mit der Lehrperson besprechen; die Erledigung jedoch planen und teilen sie sich selbstständig ein. So sind sie gut gerüstet für einen Wechsel an eine Schule mit Hausaufgaben!

Doch wozu könnten Hausaufgaben gut sein? Hausaufgaben haben eine lange Tradition; trotzdem gibt es relativ wenig Forschung dazu. Eine Studie von Alois Niggli et al.* hat ergeben, dass regelmässige Hausaufgaben durchaus zu besseren Leistungen führen können. Aber auch hier ist Hausaufgabe nicht gleich Hausaufgabe. Die Kinder zeigen deutlich bessere Leistungen und erledigen ihre Hausaufgaben sorgfältiger, wenn sie kognitiv anregende und herausfordernde Aufgaben erhalten. Aufgaben, die der Vorbereitung des Unterrichtes dienen, zeigen sich als sehr wirksam: So kann ein Kind bspw. für den Geschichtsunterricht ein Interview mit seiner Grossmutter führen! Solche vorbereitenden Hausaufgaben, bei denen die Kinder selbst Informationen sammeln müssen, sind den nachbereitenden Wiederholungs-Aufgaben in ihrer Wirkung auf die individuelle Leistung überlegen. Wichtig ist, dass die gesammelten Informationen später im Unterricht genutzt und weiterverarbeitet werden. Repetitives Üben eignet sich hingegen selten. Die Kinder können sich dafür weniger motivieren und strengen sich deutlich weniger an. An der Tagesschule. Für das Kind werden in der Regel nur vorbereitende Hausaufgaben erteilt.

Hausaufgaben sind für viele Eltern wie ein Fenster ins Unterrichtsgeschehen. Dank der Hausaufgaben erhalten sie Einblick in die aktuellen Themen, die ihre Kinder im Unterricht bearbeiten. Fallen die Hausaufgaben weg, verschliesst sich ihnen dieser Blick ins Schulzimmer. Aus diesem Grunde nehmen die Kinder der Tagesschule mindestens einmal im Quintal das gesamte Schulmaterial mit nach Hause. Die Eltern werden im Vorfeld darüber informiert und gebeten, sich am Wochenende etwa eine Stunde Zeit zu nehmen, um die Arbeiten gemeinsam mit dem Kind anzuschauen. Die Arbeit der Schülerinnen und Schüler wird dadurch wertgeschätzt und stärkt ihre Motivation sowie ihr Selbstwertgefühl.

 

*Hausaufgabenqualität im Französischunterricht aus der Sicht von Schülern, Lehrkräften und Experten und die Entwicklung von Leistung, Hausaufgabensorgfalt und Bewertung der Hausaufgaben. Autoren: Inge Schnyder, Alois Niggli und Ulrich Trautwein