Entwicklungsorientierter Unterricht

Kinder entwickeln sich – wie wir aus Studien der Entwicklungspädiatrie wissen – ganz unterschiedlich. Sie bringen unterschiedliche Vorkenntnisse mit. Sie lernen unterschiedlich schnell und auch unterschiedlich gut. Das ist völlig normal. Kinder können also innerhalb eines Jahrganges nur beschränkt miteinander verglichen werden.

Auf Basis der Erkenntnisse zu variablen Entwicklungsverläufen hat die Tagesschule. Für das Kind ein Konzept entwickelt, das das Variationsspektrum der Kinder bestmöglich berücksichtigt: Die Kinder werden in zwei altersdurchmischten Stufen – einer Basisstufe für 4–8-jährige Kinder und einer Primarstufe für 9–12-jährige Kinder – unterrichtet. Die Stufen entsprechen den Zyklen 1 und 2, wie es der Lehrplan 21 vorsieht. Aufgrund dieser Altersdurchmischung können sowohl die verschiedenen Lernvoraussetzungen als auch die unterschiedlichen sozioemotionalen Entwicklungsalter der Kinder hervorragend aufgefangen werden. Eine solche Schulform postulierte der bekannte Schweizer Pädagoge Edwin Achermann (1952–2015) bereits früh. Er entwickelte ein Schulmodell, das dem Konzept der Tagesschule teilweise als Grundlage diente: So hat sie aus seinem Schulmodell die vier Unterrichtsbausteine Thema, Kurs, Plan und Freie Tätigkeit übernommen.

Im Unterrichtsbaustein Thema, der häufig im Fach NMG (Natur, Mensch, Gesellschaft) aufgegriffen wird, arbeiten die Kinder der jeweiligen Stufe an einem gemeinsamen Thema. Dazu bereiten die Lehrpersonen Lernerfahrungen in Form von Lernaufgaben vor, die den Kindern unterschiedliche Zugänge anbieten. Der Verschiedenheit der Kinder wird mit niveaudifferenzierten Aufgaben begegnet, die sich – wenn immer möglich – handelnd erleben und bearbeiten lassen. Wichtig ist dabei, dass die Kinder aus einer Fülle an Arbeiten, die sie bearbeiten möchten, auswählen können, mit wem sie dies tun und dass ihre Lernfortschritte nach der Bearbeitung gewürdigt werden. Für Kinder wie auch für Erwachsene ist es bedeutsam, dass drei zentrale Bedürfnisse berücksichtigt werden: Autonomie, soziale Zugehörigkeit und Kompetenzerleben. Diese drei Faktoren beschreiben die Professoren für Psychologie Edward Deci und Richard Ryan in ihrer Selbstbestimmungstheorie als die Grundlage für Motivation.

Die Kurse an der Tagesschule berücksichtigen das individuelle Entwicklungsalter des Kindes. Nach einer Standortbestimmung zu Beginn des Schuljahres – die im Laufe des Jahres immer wieder überprüft wird – werden die Kinder gemäss ihrem Entwicklungsalter im jeweiligen Fach eingeteilt. So können sie neues Wissen mit ihrem vorhandenen Vorwissen verbinden, was eine optimale Voraussetzung für Lernerfolg ist.

Kinder, die bereits mit dem selbstständigen Arbeiten vertraut sind, arbeiten im Baustein Plan ganz individuell an eigenen Aufgaben. Die Primarstufe nutzt ihre Trainingsateliers – am Morgen von 8.00 bis 8.30 Uhr oder über Mittag – dazu, personalisiertes Lernen zu ermöglichen. In diesen Gefässen findet unter anderem auch die Vorbereitung für die Gymi-Prüfung oder eine vertiefte Lernbegleitung statt.

Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Freie Tätigkeit. In diesem Baustein werden bewusst diejenigen Stärken der Kinder gefördert, für die im normalen Schulalltag manchmal zu wenig Zeit bleibt. Hier darf das Kind seinen eigenen Vorlieben nachgehen: Es kann sich vertieft mit Inhalten auseinandersetzen, für die es sich interessiert. So kann beispielsweise das eine Kind sein Können im Schachspiel erweitern und in einem Kurs an andere Kinder weitergeben. Ein anderes, gestalterisch begabtes Kind erhält die Möglichkeit, über einen kürzeren oder längeren Zeitraum an einem grossen Gemälde zu arbeiten u.v.a.m. Jedes Kind kann sich seiner Fähigkeiten und Vorlieben gemäss vertiefen. Kinder, die noch nicht imstande sind, ein eigenes Projekt zu verfolgen, dürfen jeweils aus Vorschlägen der Lehrpersonen auswählen. Bei diesen Angeboten wird regelmässig auch ein Freispiel initiiert, wie wir es vom Kindergarten her kennen und das auch von älteren Primarstufenkindern immer gerne gewählt wird. Das Rollenspiel ermöglicht es, wichtige sozioemotionale Entwicklungsschritte zu machen respektive diese nachzuholen. Die Freie Tätigkeit unterstützt und integriert die Stärken der Kinder im Schulalltag. Das Erleben, dass auch ausserschulische Fähigkeiten in der Schule gelebt werden dürfen und wichtig sind, hat einen enormen Einfluss auf das Selbstbewusstsein der Kinder und stärkt deren Selbstkonzept.

Hintergrundinformationen zu diesem Thema

Das ausführliche Paper «Entwicklungsorientierter Unterricht» bietet Ihnen Hintergrundinformationen zur Variabilität in der kindlichen Entwicklung und zu unserem innovativen pädagogischen Konzept.

Paper Entwicklungsorientierter Unterricht

«Wir geben Ihrem Kind Zeit für seine individuelle Entwicklung, Vertrauen zu sich selbst und unsere fachliche Erfahrung mit.»

Dr. med. Markus Schmid

Entwicklungspädiater und Mitglied des Verwaltungsrates der Tagesschule